Im unter uns (Ausgabe 3/2017) ist soeben im Schwerpunkt der aufschlussreiche Artikel „Meinung und Haltung“ von Johanna Haberer erschienen. Ulrich Steinestel, Konrektor an der Uhlandschule in Metzingen-Neuhausen und stellvertretender Vorsitzender des EJW hat den Text vorab gelesen.
Er schildert seine Gedanken aus der Sicht eines Lehrers und auch ehrenamtlichen Mitarbeiters in der Evangelischen Jugendarbeit in Württemberg.
Alles Mitteilen von Meinungen, Gedanken und Kommentaren ist stets auch je im Kontext eine Selbstmitteilung, also eine mehr oder weniger bewusste Darstellung seiner selbst. Schon in der Geschwindigkeit und Häufigkeit der Posts in sozialen Netzwerken erkennt man, wie involviert wer zu einer Sache oder einem Thema ist und sich dazu verhält und wie offenbar wichtig dies im Vergleich zu anderem ist (bis zu dem Gedanken: „Hat der/die denn gerade nichts Besseres zu tun …?“). Dazu kommt dann noch Art der Ausdrucksweise, Bezug zum Inhalt und zur Gruppe der Adressaten sowie ein entsprechend gewählter Sprachstil, oft mit dem erkennbaren Bemühen wirkungsvoll „anzukommen“. Ein Nicht-Kommentieren bleibt hingegen „Blackbox“ und kann viel oder gar nichts bedeuten.
Klassen-Netzwerkgruppen und Mobbing
Problem-Beispiele lassen sich bereits in Grundschul- und Orientierungsstufenklassen finden (oft spätestens ab Klasse 4), in denen die Kinder sich in Klassen-Netzwerk-Gruppen eben nicht nur nützliche Informationen zukommen lassen und austauschen, sondern dann doch vorschnell Kommentare und „Likes/Dislikes“ posten, Bild- oder gar Ton- und Videodateien voneinander hochladen und kommentieren. Ruckzuck entsteht ein handfester Streit und ein Mobbingproblem, das eben nicht nur im außerschulischen Bereich bleibt, sondern in Klassen- und Schulgemeinschaften getragen wird und Schulvertreter wie Sozialarbeiter automatisch vor die riesige Herausforderung stellt mit ganz viel Mühe ursprüngliche Kleinigkeiten oder „kleinere Ungehörigkeiten“ zu klären und zu regeln, die zu unglaublich großen Problemen ausgeweitet sind. Nicht selten sind Eltern dann auch noch verstärkendes Echo der subjektiven Kinderwahrnehmung und man wundert sich allenthalben, wo man sich auf einmal miteinander wiederfindet - teilweise gar nur noch mit „Hilfe“ der Polizei. Im besten Fall nutzt man diese dann gleich noch zur medienerzieherischen Aufklärung im Unterricht, hat aber vor allem zuerst und zuletzt das entstandene Vertrauensproblem zu lösen.
Anwendung klarer „Ich-Botschaften“
Haltungsvermittlung ist auch in der Schule enorm wichtig, beispielsweise beim Fokussieren von Sprache und Kommunikation im Deutsch-Sprachunterricht, egal in welcher Klassenstufe oder Schulart, also beispielsweise beim Aufspüren der Unterschiede zwischen Kommentar und Bericht, zwischen Behauptung, These, Appell und bewiesener Aussage und Hintergrundwissen (mit Quellenangabe, was an sich schon ein eigenes Lernthema darstellt), zwischen subjektiv wertenden und objektiv einschätzenden Adjektiven. Die Vermittlung von methodischem Grundwissen zur Analyse von Kommunikation (wie das Vier-Ohren-Modell von Schulz-von-Thun) und zum Anwenden klarer (Ich-) Botschaften sehe ich hier als äußerst hilfreich und wichtig an.
Nicht nur aber auch im Religionsunterricht kann Vermittlung und Anwendung von Prüfkriterien stattfinden und inhaltlich unterstützt werden, beispielsweise wird das ganz deutlich bei Themen wie „Die zehn Gebote“ (=> 8. Gebot!) oder beim inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Welt und Verantwortung“ (aber eigentlich auch bei allen anderen Themenbereichen).
Entwicklungsoffenheit und Vergebungsbereitschaft
Im Grunde sehe ich hier die Lehrperson und das Kollegium als enorm wichtige Vermittlungsinstanz. Hier sind wir als Christen im Kontext Schule stets im Vorleben und als Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen herausgefordert: Wie bewerte ich welche Situation und Aussagen, wie gehe ich auf diese jungen Menschen oder auch auf Kollegen und Eltern zu und mit ihnen um, wie löse ich Konflikte, wie strebe ich Reflexion und Weiterentwicklung an und wie bin ich allgemein bereit, Entwicklungsoffenheit und Vergebungsbereitschaft wie aber auch Wachsamkeit und Achtsamkeit, Eintreten für andere und für Grundregeln mutig zu praktizieren und bei alle dem Vernunft im Sinne des Evangeliums walten zu lassen?
Und gilt Gleiches nicht genauso auch für die Werte- und Haltungsvermittlung im außerschulischen Bereich? Wie leben wir als Erwachsene in unserer Gemeinde diese Verantwortung für Nachrichten und Informationen?
Sind wir so wachsam und achtsam und damit so „stark“, dass wir Gerede als solches identifizieren und stoppen? Geben wir im Gespräch zu Bedenken, ob die eine oder andere „Information“ denn wirklich hinterfragt und hier richtig platziert ist?
Wie gehen wir als Verantwortungsträger in Kirchengemeinderat oder Bezirksarbeitskreis oder als Jugendwerks-/ Jugendarbeitsmitarbeitende mit dem um, „was man so hört“?
Erkennen wir rechtzeitig, wo es besser wäre, zu schweigen, zu hinterfragen oder mal nur zuzuhören und die anderen Botschaften im Gesagten herauszufiltern? Und sind wir ggf. dann auch so mutig und gebieten Einhalt, stoppen das Gerede, entlarven Gerüchte oder üble Nachrede?
Raum für verschiedene Sichtweisen
Überhaupt: Fragen wir uns selbst und andere ausreichend, ob wir dies oder jenes richtig verstanden haben, als möglicherweise vorschnell etwas übereinander zu behaupten oder solches weiterzuleiten? Fragen wir auch nacheinander, nach den Perspektiven der Mitmenschen und Mitarbeiter, mit denen wir zu tun haben und mit denen wir zusammenleben? Zeigen wir echtes Interesse aneinander und geben uns Raum, dass wir auch unsere verschiedenen Sichtweisen einander mitteilen und damit wertschätzen?
Wie viel Ärger könnten wir uns damit in unseren Gemeinden und Mitarbeiterteams abdämpfen und von uns anderen fernhalten. Miteinander statt über- oder gegeneinander reden, nichts in Mails oder Tweeds oder Comments wiedergeben, was nicht nach gewisser Zeit problematisch, peinlich oder andere bewertend ist - all das kann ganz viel gutes Vorbild geben.
Anstatt schlechte sollten wir doch gute Nachtrichten oder besser DIE Gute Nachricht verbreiten und ihr in Wort und Tat mehr Raum zu verschaffen, das ist doch unsere vorderste Aufgabe als Christen.
Ulrich Steinestel
Stellvertretender Vorsitzender des EJW
Konrektor an der Uhlandschule in Metzingen-Neuhausen/Glems
Kontakt zum Autor:
Ulrich.Steinestel@ejwue.de
Kontakt zur Redaktion:
presse@ejwue.de
Weitere Informationen:
Er schildert seine Gedanken aus der Sicht eines Lehrers und auch ehrenamtlichen Mitarbeiters in der Evangelischen Jugendarbeit in Württemberg.
Alles Mitteilen von Meinungen, Gedanken und Kommentaren ist stets auch je im Kontext eine Selbstmitteilung, also eine mehr oder weniger bewusste Darstellung seiner selbst. Schon in der Geschwindigkeit und Häufigkeit der Posts in sozialen Netzwerken erkennt man, wie involviert wer zu einer Sache oder einem Thema ist und sich dazu verhält und wie offenbar wichtig dies im Vergleich zu anderem ist (bis zu dem Gedanken: „Hat der/die denn gerade nichts Besseres zu tun …?“). Dazu kommt dann noch Art der Ausdrucksweise, Bezug zum Inhalt und zur Gruppe der Adressaten sowie ein entsprechend gewählter Sprachstil, oft mit dem erkennbaren Bemühen wirkungsvoll „anzukommen“. Ein Nicht-Kommentieren bleibt hingegen „Blackbox“ und kann viel oder gar nichts bedeuten.
Klassen-Netzwerkgruppen und Mobbing
Problem-Beispiele lassen sich bereits in Grundschul- und Orientierungsstufenklassen finden (oft spätestens ab Klasse 4), in denen die Kinder sich in Klassen-Netzwerk-Gruppen eben nicht nur nützliche Informationen zukommen lassen und austauschen, sondern dann doch vorschnell Kommentare und „Likes/Dislikes“ posten, Bild- oder gar Ton- und Videodateien voneinander hochladen und kommentieren. Ruckzuck entsteht ein handfester Streit und ein Mobbingproblem, das eben nicht nur im außerschulischen Bereich bleibt, sondern in Klassen- und Schulgemeinschaften getragen wird und Schulvertreter wie Sozialarbeiter automatisch vor die riesige Herausforderung stellt mit ganz viel Mühe ursprüngliche Kleinigkeiten oder „kleinere Ungehörigkeiten“ zu klären und zu regeln, die zu unglaublich großen Problemen ausgeweitet sind. Nicht selten sind Eltern dann auch noch verstärkendes Echo der subjektiven Kinderwahrnehmung und man wundert sich allenthalben, wo man sich auf einmal miteinander wiederfindet - teilweise gar nur noch mit „Hilfe“ der Polizei. Im besten Fall nutzt man diese dann gleich noch zur medienerzieherischen Aufklärung im Unterricht, hat aber vor allem zuerst und zuletzt das entstandene Vertrauensproblem zu lösen.
Anwendung klarer „Ich-Botschaften“
Haltungsvermittlung ist auch in der Schule enorm wichtig, beispielsweise beim Fokussieren von Sprache und Kommunikation im Deutsch-Sprachunterricht, egal in welcher Klassenstufe oder Schulart, also beispielsweise beim Aufspüren der Unterschiede zwischen Kommentar und Bericht, zwischen Behauptung, These, Appell und bewiesener Aussage und Hintergrundwissen (mit Quellenangabe, was an sich schon ein eigenes Lernthema darstellt), zwischen subjektiv wertenden und objektiv einschätzenden Adjektiven. Die Vermittlung von methodischem Grundwissen zur Analyse von Kommunikation (wie das Vier-Ohren-Modell von Schulz-von-Thun) und zum Anwenden klarer (Ich-) Botschaften sehe ich hier als äußerst hilfreich und wichtig an.
Nicht nur aber auch im Religionsunterricht kann Vermittlung und Anwendung von Prüfkriterien stattfinden und inhaltlich unterstützt werden, beispielsweise wird das ganz deutlich bei Themen wie „Die zehn Gebote“ (=> 8. Gebot!) oder beim inhaltsbezogenen Kompetenzbereich „Welt und Verantwortung“ (aber eigentlich auch bei allen anderen Themenbereichen).
Entwicklungsoffenheit und Vergebungsbereitschaft
Im Grunde sehe ich hier die Lehrperson und das Kollegium als enorm wichtige Vermittlungsinstanz. Hier sind wir als Christen im Kontext Schule stets im Vorleben und als Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen herausgefordert: Wie bewerte ich welche Situation und Aussagen, wie gehe ich auf diese jungen Menschen oder auch auf Kollegen und Eltern zu und mit ihnen um, wie löse ich Konflikte, wie strebe ich Reflexion und Weiterentwicklung an und wie bin ich allgemein bereit, Entwicklungsoffenheit und Vergebungsbereitschaft wie aber auch Wachsamkeit und Achtsamkeit, Eintreten für andere und für Grundregeln mutig zu praktizieren und bei alle dem Vernunft im Sinne des Evangeliums walten zu lassen?
Und gilt Gleiches nicht genauso auch für die Werte- und Haltungsvermittlung im außerschulischen Bereich? Wie leben wir als Erwachsene in unserer Gemeinde diese Verantwortung für Nachrichten und Informationen?
Sind wir so wachsam und achtsam und damit so „stark“, dass wir Gerede als solches identifizieren und stoppen? Geben wir im Gespräch zu Bedenken, ob die eine oder andere „Information“ denn wirklich hinterfragt und hier richtig platziert ist?
Wie gehen wir als Verantwortungsträger in Kirchengemeinderat oder Bezirksarbeitskreis oder als Jugendwerks-/ Jugendarbeitsmitarbeitende mit dem um, „was man so hört“?
Erkennen wir rechtzeitig, wo es besser wäre, zu schweigen, zu hinterfragen oder mal nur zuzuhören und die anderen Botschaften im Gesagten herauszufiltern? Und sind wir ggf. dann auch so mutig und gebieten Einhalt, stoppen das Gerede, entlarven Gerüchte oder üble Nachrede?
Raum für verschiedene Sichtweisen
Überhaupt: Fragen wir uns selbst und andere ausreichend, ob wir dies oder jenes richtig verstanden haben, als möglicherweise vorschnell etwas übereinander zu behaupten oder solches weiterzuleiten? Fragen wir auch nacheinander, nach den Perspektiven der Mitmenschen und Mitarbeiter, mit denen wir zu tun haben und mit denen wir zusammenleben? Zeigen wir echtes Interesse aneinander und geben uns Raum, dass wir auch unsere verschiedenen Sichtweisen einander mitteilen und damit wertschätzen?
Wie viel Ärger könnten wir uns damit in unseren Gemeinden und Mitarbeiterteams abdämpfen und von uns anderen fernhalten. Miteinander statt über- oder gegeneinander reden, nichts in Mails oder Tweeds oder Comments wiedergeben, was nicht nach gewisser Zeit problematisch, peinlich oder andere bewertend ist - all das kann ganz viel gutes Vorbild geben.
Anstatt schlechte sollten wir doch gute Nachtrichten oder besser DIE Gute Nachricht verbreiten und ihr in Wort und Tat mehr Raum zu verschaffen, das ist doch unsere vorderste Aufgabe als Christen.
Ulrich Steinestel
Stellvertretender Vorsitzender des EJW
Konrektor an der Uhlandschule in Metzingen-Neuhausen/Glems
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